PRESSEMITTEILUNG | 13. Juni 2017 | IWRF European Championship Koblenz 2017
Quelle: Deutscher Behindertensportverband e.V. / Nico Feist
„Das was ich lebe, möchte ich weitergeben“
Der Countdown läuft: Rollstuhlrugbyspieler Jens Sauerbier fiebert dem Auftakt der Heim-Europameisterschaft in Koblenz heute in zwei Wochen entgegen.
Jens Sauerbier hat schon drei Europameisterschaften und eine Weltmeisterschaft gespielt. Dennoch ist der Rollstuhlrugbyspieler überzeugt, dass die Heim-EM in Koblenz vom 27. Juni bis 1. Juli in der Conlog-Arena „das schönste Event wird, bei dem ich bislang dabei war. Es ist direkt vor der Haustür, du kennst alle und kannst Freunde einladen.“
Im Mai vergangenen Jahres hatte das deutsche Team beim letzten Qualifikationsturnier für die Paralympics in Rio de Janeiro nur Rang fünf belegt und durfte nicht in Brasilien starten. Ein Ziel, das der 30-Jährige für sich klar formuliert hatte: „Da waren wir alle leicht deprimiert. Als wir dann aber den Zuschlag für die EM bekommen haben, war das wie ein Trostpflaster. Die Freude ist gestiegen, es ging steil bergauf.“ Ende Dezember fing die Vorbereitung auf das Heimturnier an. Mittlerweile wird auch immer mehr die Handschrift von Nationaltrainer Christoph Werner sichtbar, der das Team oft zu Trainingslagern und Turnieren zusammenholte. „So viele Trainingslager hatten wir noch nie“, sagt Sauerbier: „Wir haben auf jeden Fall einen körperlich besseren Zustand als vor der Paralympics-Qualifikation, weil jeder individuell noch mal unheimlich viel gemacht hat.“
Schließlich will das deutsche Team bei der Heim-EM, die in zwei Wochen eröffnet wird, nicht nur ein guter Gastgeber sein, sondern auch das Halbfinale erreichen, was angesichts der beiden Paralympics-Teilnehmer Frankreich und Schweden sowie Außenseiter Finnland in der Vorrundengruppe nicht leicht wird. „Deutschland richtet die EM ja nicht aus Lust und Laune aus, sondern es wird auch etwas Zählbares von uns erwartet. Und wir wollen natürlich niemanden enttäuschen, deshalb müssen wir unter die ersten Zwei der Gruppe“, sagt Sauerbier und verrät die Stärke des deutschen Teams: „Wir treten als Mannschaft auf, weil wir nicht die Einzelspieler haben wie andere Nationen. Durch die besseren Grundlagen sind wir auch im Kopf fitter, darauf wird es ankommen.“
„Rollstuhlrugby ist so voller Action, dass es jeden in den Bann zieht“
Sauerbier weiß, wovon er spricht, schließlich hat er im vergangenen Jahr sein Master-Studium der Sportwissenschaften abgeschlossen, nachdem er zuvor soziale Arbeit studiert hatte. Nun ist er Privatdozent an der Berliner Medical School. Die Doktorarbeit ist in Planung, schließlich will Sauerbier auch auf dem akademischen Weg vorankommen – und dann am liebsten im Behindertensport arbeiten.
Dass er zum Rollstuhlrugby gekommen ist, verdankt er seinem Studium. Sauerbier war damals ein erfolgreicher Handbiker und musste neben Handbike und Tischtennis noch eine Mannschaftssportart wählen. Auf der Messe Rehacare war er auf Rollstuhlrugby aufmerksam geworden und erinnerte sich, dass die Sportart für Tetraplegiker wie ihn geeignet sei. „Rugby ist so voller Action, dass es jeden in den Bann zieht. Der Rest ist Geschichte: Zwei Jahre später war ich schon für die EM nominiert. Wenn man mal leistungsmäßig Sport betrieben hat, entwickelt man auch schnell einen großen Ehrgeiz“, sagt Sauerbier, der in der Jugend beim FC Magdeburg spielte und von einer Karriere als Fußballprofi träumte, bis er mit 16 Jahren einen Autounfall hatte und seither querschnittgelähmt ist.
Die sportliche Laufbahn hat er nun im Rollstuhlrugby hingelegt. Seit drei Jahren spielt er bei den Berlin Raptors, wurde in der Zeit zweimal Deutscher Meister und einmal Vize, davor hatte er mit Karlsruhe die Champions League gewonnen. Gleichzeitig ist er auch für seinen Heimatverein Biederitz in der 2. Bundesliga Nord, in Frankreich und England aktiv.
Der ganze Aufwand wäre ohne seine Freundin Izabela und die Familie nicht denkbar. Doch für Sauerbier ist selbst aktiv sein nicht alles, genauso gerne bringt er andere zum Sport. „Sport gibt und ermöglicht so viel. Und das was ich lebe, möchte ich weitergeben“, sagt er: „Es ist einfach so wertvoll, zu sehen, wie Menschen durch Sport Fortschritte machen und Dinge schaffen, die davor undenkbar gewesen wären.“ Und was alles möglich ist, das will Jens Sauerbier mit seinen Teamkollegen auch bei der Europameisterschaft in Koblenz unterstreichen – und vor heimischem Publikum das Halbfinale erreichen.
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